Der Linke Fritz Preuschoff geht in die Revision vor das Bundesverwaltungsgericht Leipzig

25. Dezember 2015  Pressemitteilungen

Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts in Mannheim vom 21.12.2015 hat ein deutsches Gericht nun erneut die Bürger in ihrem passiven Wahlrecht massiv beschränkt. Das Gericht erklärt es für rechtmäßig, dass Beschäftigte des Landkreises nur dann ihr Kreistagsmandat ausüben dürfen, wenn sie überwiegend körperlich tätig sind (Paragraph 24 Landkreisordnung). In welcher Zeit leben diese Richter eigentlich? Nur ein überwiegend körperlich Arbeitender soll dann im Kreistag die geistige Arbeit erledigen? Und haben sie von der Technisierung nichts mitbekommen?

Ich selbst war bei der Verhandlung zugegen und erstaunt und entsetzt, welches antiquierte Bild von der Arbeitswelt offensichtlich bei diesen Richtern vorherrscht. Sie glauben allen Ernstes daran, dass es noch viele Tätigkeiten gibt, bei denen überwiegend körperliche bzw. manuelle Arbeit vorherrsche. So könne beispielsweise beim Forstarbeiter von überwiegend körperlicher Arbeit ausgegangen werden, war in der Verhandlung seitens der Richter zu hören. Seit wann gibt es Tätigkeiten, die keine geistige Anwesenheit erfordern? Ist es nicht ein Schlag ins Gesicht aller Handwerker, wenn man sagt, sie seien nur überwiegend körperlich tätig? Jeder Unfallforscher weiß: Wenn die geistige Konzentration nachlässt passieren die Unfälle. Es gibt keine Arbeit ohne ständig und immer den Kopf dabei zu haben, verehrte Herren Richter! Das ist das erste, was man bei einer Berufsausbildung lernt und so habe auch ich es als Forstwirtschaftsmeister immer gelehrt. Es gibt nur geistige Arbeit mit mehr oder weniger körperlicher Betätigung oder Belastung. Ich würde diese Herren gerne einmal mit zur Waldarbeit mitnehmen. Sie würden merken, wie sehr ihre geistigen Fähigkeiten in Anspruch genommen werden.

Die Unterscheidung zwischen überwiegend körperlicher und geistiger Arbeit kann offensichtlich nur Schreibtischtätern einfallen. So haben unsere Landesgesetzgeber durch den Wegfall der tariflichen Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern dieses absolut untaugliche Kriterium für die Mandatsausübung aufgestellt. Hauptverantwortlicher für diesen Paragraphen 24 der Landkreisordnung ist unser heutiger EU-Kommissar Oettinger und seine damalige CDU-FDP Regierung. Jeder Beschäftigte des Kreises muss nun zukünftig zuerst den Landrat fragen, ob dieser seine Tätigkeit als überwiegend körperlich oder geistig einstuft. Erst dann kann er zur Wahl antreten mit Aussicht auf Mandatsausübung. Ein Beispiel: Ein Schlepperfahrer im Wald oder ein Baggerfahrer auf dem Bauhof kann sofort als überwiegend geistig tätig deklariert werden. Das Bedienen von Pedalen und Joysticks ist manuell unerheblich. Früher hätte er als Arbeiter laut Tarif sein Mandat ausüben können. Da sind der Willkür heute Tür und Tor geöffnet. Der Personenkreis ist durch diese Landkreisordnung willkürlich erweitert worden. Wo fängt denn die geistige Arbeit an und wo hört die körperliche Arbeit auf? Und wer entscheidet das? Da passen die Juristen und verschanzen sich hinter Paragraphen. Zugegeben, die Sache hat Brisanz. Aber genau deshalb hätte der Verwaltungsgerichtshof dies dem Bundesverfassungsgericht vorlegen müssen. So spielt man weiter auf Zeit, denn diese Verfahren dauern.

Dabei haben sich die Macher unseres Grundgesetzes nach dem Krieg beim Paragraphen 137 ganz andere Gedanken gemacht. Sie wollten einerseits die alten Nazi-Angestellten aus den Kommunalparlamenten fern halten. Deshalb gab es die Trennung zwischen Angestellten und Arbeitern. Zum anderen sollte sichergestellt werden, dass hoheitliche Aufgaben nicht mit der Parlamentsarbeit in Konflikt geraten. Das wären bei uns leitende Angestellte und die Bürgermeister. Dort sahen sie den wesentlichen Interessenkonflikt. Die heutigen Regelungen im Paragraph 24 der Landkreisordnung werden dem Ansinnen nicht gerecht.

Wenn nun der Landrat behauptet, ihm seien die Hände gebunden, ist das nur die halbe Wahrheit. Auch der Landrat sollte ein Interesse daran haben, dass sich möglichst viele Menschen an den Wahlen beteiligen. So hatte er für dieses Verfahren ein Fortführungsinteresse bestritten. Herr Scherer hat also gar kein Interesse an der gerichtlichen Klärung. Schon mal etwas von Politikverdrossenheit gehört? Er müsste als Landrat genauso ein Interesse an einer gerichtlichen Klärung haben. Stattdessen wird darauf gewartet, wie Herr Preuschoff in unermüdlicher Arbeit und mit großem finanziellen Aufwand durch die Instanzen geht in der Hoffnung, dass er irgendwann aufgibt. Warum hat Herr Scherer den Angestellten der Eigenbetriebe und der Verwaltung vor der letzten Kommunalwahl nicht gesagt, wer kandidieren und gegebenenfalls sein Mandat ausüben kann und wer nicht? Er hätte jede Arbeitsplatzbeschreibung auf überwiegend körperlich oder geistig tätig prüfen müssen. Er wusste von diesem Problem, denn die juristische Auseinandersetzung mit dem Kreis dauert nun schon etliche Jahre. Aber man hatte auf Zeit gespielt und nicht damit gerechnet, dass Fritz Preuschoff wieder erster Nachrücker bei den Linken nach der Kommunalwahl 2014 wird.

So bleibt nun folgendes erst einmal Realität: Die hoheitlich tätigen Bürgermeister werden auch zukünftig, zusammen mit den Exbürgermeistern, jeden niederbügeln, der es wagt, in den Ausschüssen oder im Kreistag die Kreisumlage für die Krankenhäuser oder zur Flüchtlingsbetreuung erhöhen zu wollen. Der Landrat bläst ins gleiche Horn und wird deshalb auch 2016 wiedergewählt werden. Gleichzeitig verhindern diese Rechtsprechung und auch der Landrat mit seiner Arbeitsplatzbeschreibung von Herrn Preuschoff die Mandatsausübung eines Pförtners.

Vielleicht liegt es ja daran, dass Fritz Preuschoff 30 Jahre lang Personalratsvorsitzender im Ortenau-Klinikum Kehl war und dort die Verhältnisse besser kennt, als manch einem der Beteiligten in der Kreisverwaltung und im Kreistag lieb ist. Schließlich ist er als streitbarer Arbeitnehmervertreter bekannt.

 

Die Linke Kreisverband Ortenau

Lukas Oßwald, Stellvertretender Vorsitzender


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