PM von Lukas Oßwald (Linke Liste Lahr) zur aktuellen Situation in Sachen Moscheeneubau und deren Betrieb in Lahr

29. Dezember 2016  Allgemein

Presseerklärung/Stellungnahme von Lukas Oßwald (Linke Liste Lahr) zur aktuellen
Situation in Sachen Moscheeneubau und deren Betrieb. Lahr, den 26. Dez. 2016
Keine Moschee von Erdogans Gnaden.
Türkische Regierungsinteressen und freie Religionsausübung gehen nicht
zusammen.
Nach dem Aufruf türkischer Behörden, Gegner Erdogans in Deutschland mit
ausführlichen Berichten zu melden, haben Imame und Vorstände der Türkisch-
Islamischen Union der Anstalt für Religion, DITIB, Informationen geliefert, so
der Vorsitzende des demokratischen Gesellschaftszentrums der KurdInnen in
Deutschland, Yavuz Fersoglu in einem Interview der Jungen Welt vom 13. Dez.
2016. Wer nichts meldet, macht sich selbst verdächtig, sagte kürzlich Ali Ertan
Toprak, Bundesvorsitzende der kurdischen Gemeinde Deutschlands.
„Erdogans Hexenjagt wird in die Moscheen transportiert“, so Ercan Karakoyun
von der Gülen Bewegung in der BZ vom 07. Dez. 2016. Der Offenburger
Moscheevertreter Süleyman Sögütlü zeigt auf Facebook den rechtsextremen
Wolfsgruß. „In der Moschee wird Politik für die AKP gemacht“ so ein Artikel
der Mittelbadischen Presse vom 26. Nov. 2016. „Imame als Denunzianten“, FR
vom 16. Dez. 2016. „Grünen Politiker Beck zeigt Imame an“, Spiegel 17. Dez.
2016. Cem Özdemir: „Ditib ist eine politische Vorfeldorganisation“ , „Cder
verlängerte Arm der türkischen Regierung“.
Hassan Babur, der Vorsitzende des Lahrer Ditib-Ablegers versicherte in einem
von mehreren persönlichen Gesprächen im Frühjahr 2014: Das wird eine
Mosche für alle Islam-Gläubigen, ein Projekt der Integration und für alle offen.
Ich habe mittlerweile den Glauben daran verloren! Auch ein kürzlich
stattgefundenes erneutes Gespräch mit dem Lahrer Ditib-Vorsitzenden, konnte
daran nichts ändern.
Das ehemals eigenständig gegründete türkische Religionsministerium Diyanet
ist mittlerweile zu 100 % gleichgeschaltet worden und Erdogans Wort wird dort
islamisches Gesetz. Erdogan wörtlich (Zitat von 1998):
„Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind.
Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die
Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“
Der eingangs erwähnte Aufruf setzt genau das um. Das heißt, kein Imam und
kein Islamlehrer, auch keine Predigt und kein Religionsunterricht, der nicht
dem Gusto des Diktators entspricht. Und der verlängerte Arm der Diyanet ist
die Ditib-Zentrale in Köln. Die Imame werden von der türkischen Regierung
bezahlt und das Sagen haben die Attaches der türkischen Regierung in
Deutschland bei der Union. Wer als Ditib-Imam nicht spurt, wird abgesetzt oder
muss untertauchen, weil er bedroht wird. Herr Barbur und mit ihm alle
Verantwortlichen der Ditib Lahr dürfen sich nicht wundern, wenn sie
angesichts ihres Stillschweigens nach den jüngsten Geschehnissen nur noch
als verlängerter Arm Erdogans wahrgenommen werden. Wer schweigt, stimmt
zu oder nimmt zumindest billigend in Kauf.
Ich wollte keinen verlängerten Arm Erdogans. Deshalb habe ich für einen
Vertrag mit dem örtlichen Verein plädiert gegenüber einem Vertragsabschluß
mit der Ditib Union in Köln. Dass das kaum einen Unterschied macht, habe ich
damals falsch eingeschätzt. Denn das Sagen hat heute immer noch die
Zentrale in Köln. Finanzen und ihr Eigentum der Lahrer Ditib unterliegen der
Kontrolle der Union. Auch fällt das gesamte Vermögen der Lahrer Ditib bei
ihrer Auflösung der Zentrale in Köln, sprich der Union, zu. So steht es in der
Mustersatzung, die auch von dem Lahrer Ableger der Ditib unterschrieben
worden ist. Auch können sie jederzeit Zuwendungen an die Union in Köln
tätigen. (siehe Auszug aus der Satzung unten).
Ich habe die dramatischen Entwicklungen in der Türkei nicht
vorhergesehen. Über 30000 Inhaftierungen, darunter viele Pressevertreter,
kurdische BürgermeisterInnen und Parlamentarier der HDP (Partei der Völker)
sowie Gülen-Anhänger und ein Präsident, der Hitler als sein Vorbild bezeichnet
und ihm nacheifert. Eine andere Wortwahl als Massenmörder und Faschist
wäre meiner Meinung nach gelogen. Was Erdogan nicht passt, wird verfolgt,
auch in Deutschland. Aus heutiger Sicht würde ich einem Vertrag mit der
Lahrer Ditib nicht mehr zustimmen.
Freie Religionsausübung funktioniert nicht, wenn man mehr als Statthalter
Erdogans, denn als Vertreter eines friedfertigen Glaubens wahrgenommen
wird. Ich habe das auch schon 2014 deutlich den Vertretern von Ditib Lahr
gesagt und das auch zuletzt im Gespräch mit Herrn Babur wiederholt. Und
auch, dass für das Zusammenleben der Kulturen hier in Lahr viel auf dem Spiel
steht.
„Eine Moschee für alle Muslime“ braucht einen eigenständigen unabhängigen
Moscheeverein als Initiator und Betreiber. Mein Eindruck jedoch ist: „Wes’
Brot ich ess, des’ Lied ich sing“, auch wenn man sich nach außen unpolitisch
gibt. Denn die dringend notwendige Distanzierung von dem faschistischen
menschenverachtenden türkischen Regime unter Erdogan bleibt bisher aus.
Auch der Lahrer Imam wird von Ankara bezahlt. Der Lahrer Ditib-Vorstand
hätte es in der Hand, hier Stellung zu beziehen. Es wäre aus unserer Sicht sehr
notwendig, um das Bild eines friedlichen Islam aufrechtzuerhalten.
Erdogans menschenverachtende Politik einerseits und eine Moschee für alle
Muslime in Lahr andererseits, gehen aber nicht zusammen.
Anlagen:
Aus der Mustersatzung der UNION in Köln von 2003(vom Lahrer Verein
unterschrieben):
§ 33 -AUFLÖSUNG DER GEMEINDE –
(1) Die Mitgliederversammlung ist nach Anhörung des Beirates befugt, über die Auflösung
der Gemeinde zu beschließen. Die Auflösung ist bei Unmöglichkeit der Erreichung der
Gemeindezwecke, Verlust der Rechtsfähigkeit möglich.
(2) An der Mitgliederversammlung, welche über die Auflösung der Gemeinde beraten und
beschließen soll, müssen mindestens 2/3 der ordentlichen Mitglieder anwesend sein. Wird
diese Zahl nicht erreicht, müssen in der zweiten Mitgliederversammlung mindestens die
Hälfte der ordentlichen Mitglieder anwesend sein. Sind an der zweiten
Mitgliederversammlung ebenfalls nicht die Hälfte der ordentlichen Mitglieder anwesend,
so kann in einer dritten Mitgliederversammlung unabhängig von der Zahl der anwesenden
Mitglieder über die Auflösung der Gemeinde beraten und beschlossen werden. Zur
Auflösung der Gemeinde ist eine 2/3 Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder
erforderlich.
(3) Falls die Mitgliederversammlung nichts anderes bestimmt, sind die Mitglieder des
Vorstandes Liquidatoren. Für die Vertretungsberechtigung gilt § 23 Abs. 1 dieser Satzung.
(4) Bei Auflösung der Gemeinde oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das
Gemeindevermögen an die gemeinnützig anerkannte Türkisch Islamische Union der
Anstalt für Religion e.V., Venloer Str. 160, 50823 Köln (UNION), die in ,der
Bundesrepublik Deutschland religiöse und kulturelle Dienste anbietet, die es unmittelbar
und ausschließlich für gemeinnützige, mildtätige oder religiöse Zwecke zu verwenden hat.
Falls die UNION picht mehr existiert oder deren Gemeinnützigkeit aberkannt wird, fallt
das Vereinsvermögen an eine Institution, die religiöse und kulturelle Dienste anbietet und
gemeinnützig ist, die. wiederum vom Botschaftsrat für religiöse und soziale
Angelegenheiten der Botschaft der Türkischen Republik zu Berlin vorgeschlagen wird.
Auch diese Institution hat das Gemeindevermögen unmittelbar und ausschließlich für
Gemeinnützige, mildtätige oder religiöse Zwecke zu verwenden. Die
Vermögensübertragung darf erst nach Zustimmung des zuständigen Finanzamtes erfolgen.
(5) Bei Liquidation der Gemeinde werden gezahlte Mitgliedsbeiträge nicht zurückerstattet.
Unberührt bleiben Erstattungsansprüche der Mitglieder, die gesetzlichen oder vertraglichen
Ursprungs sind.
(6) Die vorstehenden Bestimmungen gelten entsprechend, wenn die Gemeinde aus einem
anderen Grund aufgelöst wird oder seine Rechtsfähigkeit verliert.
Aus der Satzung der Lahrer Gemeinde:
§ 2 – ZWECK DER GEMEINDE –
(1) Zweck der Gemeinde ist die Förderung der Religion, Erziehung und Bildung, der
Jugendfürsorge, der Mildtätigkeit, der Völkerverständigung unter den Kulturen.
(2) Die Gemeinde kann im Rahmen des § 58 Nr. 2 AO der als steuerbegünstigt anerkannten
UNION Mittel zuwenden.
Nochmal aus der Mustersatzung der Union:
§26-BEIRAT
Der Beirat setzt sich aus den unten angegeben Personen zusammen:
a) dem Attache für religiöse Angelegenheiten;
b) zwei Personen aus Vertretung des Vorstandes der UNION,
c) zwei weiteren Mitgliedern, welche in der Mitgliederversammlung für die Dauer
von zwei Jahren gewählt werden. Gleichzeit ist ein Ersatzmitglied zu wählen.


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